Nach unseren Intensivproben Anfang Januar: Irgendwie fühlt es sich so an, als würden wir sie kennen. Birkan, Sevval, Faye, Madeleine, Meltem und Fabian sind unsere »Monolog-Partner«. Menschen, die wir noch nie gesehen haben. Menschen, die unsere Namen nicht kennen, denen wir dennoch sehr nah sind. Wir kennen ihre Gesichter nicht, jedoch kennen wir ihre Geschichten, sprechen ihre Wünsche aus und versuchen, ihre Gedanken zu verstehen. Intensiv haben wir mit ihren Texten gearbeitet, um sie auf der Bühne vorzutragen. Wir werden sie jedoch nicht frei sprechen, sondern vorlesen.
Damit soll deutlich gemacht werden, dass die Kinder und Jugendliche ihre Sicht auf das Leben schilderten und wir sie nur weiter erzählen. »Nur« ist hier jedoch relativ. Es ist schon krass zu berichten, wie man »in dem ganzen Horror von Kotzen und Schmerzen mental komplett weggetreten ist«, während man selbst kerngesund auf der Bühne steht. Es ist schwer, sich nicht zu stark mit seinen Monolog-Partnern zu identifizieren, gerade weil sie meistens im gleichen Alter wie wir sind. Die Kinder und Jugendliche fragen sich: »Warum ich?« Ich dagegen frage mich nun: »Warum ich nicht?«
Das Textblatt in der Hand hilft da sehr, die Distanz zu bewahren. Aber für Trauerstimmung ist eh kaum Platz in unserem Stück: Zackig wird eine Szene in die Nächste übergeleitet, peppige Musik unterlegt die Übergänge und kleine Choreos frischen die Textpassagen auf. Außerdem wird sich unser Bühnenbild auch oft verändern, und verrückte Traumtänze lösen angespannte Situationen auf. Ihr könnt also nur gespannt sein.
Es ist jedoch nicht so, dass wir die eigentlich traurigen Texte durch äußere Einwirkungen weniger traurig machen wollen. Nein, die Geschichten sind an sich schon so positiv, dass uns gar nichts anderes mehr übrig bleibt. Wenn Polizisten und Feuerwehrmänner plötzlich Engel sind und dir den Glücksbrunnen zeigen, wenn du mit Capt’n Sharky auf der Suche nach dem goldenen Schatz bist, oder wenn eine blöde Knochenmarktransplantation zum »Raumschiff Knochenmarktransfer« wird, dann ist das Leben doch recht schön.
(Christina Willmann, Produktionshospitantin und Mitspielerin)
Die Sache mit dem Leben
Musikalische Performance mit Texten von kranken Kindern und Jugendlichen
Künstlerische Leitung: Kathrin Feldhaus, Benedikt Grubel, Michael Kaiser, Margarethe Mehring-Fuchs / Musikalische Leitung: Ro Kuijpers / Ausstattung: Nina Hofmann / Mit: Johanna Arndt, Luna Bucherer, Laura-Marijke Hecker, Linus Meister, Arvo Nickelsen, Wanda Nickelsen, Fran Johannes Pross, Leon Rüttinger, Christina Willmann
Ein Projekt von »Element 3 – Jugend, Kultur, Konzept« in Kooperation mit dem Theater Freiburg
Die Texte stammen aus einem Buch-Projekt der Veronika Stiftung – die Hand zum Leben reichen – in Kooperation mit »Element 3«
Premiere: So. 19.1.14, 19 Uhr, Werkraum
Weitere Aufführungstermine unter: www.theater.freiburg.de/spielplan