8 VÄTER BACKSTAGE! – DRAMATURGIE

von | 07.05.2012

Mathias Lodd in »8 Väter« (Foto: M. Korbel)

Teil 3: Interview mit Dramaturgin Ruth Feindel
von Fabienne Kaufmann, Kurs »Literatur und Theater«, Gymnasium Kenzingen

Der diesjährige Oberstufenkurs »Literatur und Theater« des Gymnasiums Kenzingen hat die Patenschaft für das Stück »8 Väter« übernommen. Nach der Premiere haben die Schülerinnen mit den Beteiligten der Produktion Interviews geführt.

Ruth Feindel (Foto: M. Korbel)

Am Theater gibt es eine Vielzahl von Berufen. Einer der eher unbekannten und dennoch unverzichtbaren ist der Beruf des Dramaturgen. Beim Stück »8 Väter« zeichnet sich Ruth Feindel für die Dramaturgie verantwortlich. Sie ist in der dritten Spielzeit am Theater Freiburg angestellt.

Auf die Frage, warum sie gerade beim Theater Freiburg arbeitet, antwortet sie: »Ich schätze es, im Team der Intendantin Barbara Mundel mitarbeiten zu können: Die Arbeit ist intellektuell, künstlerisch anspruchsvoll und sehr vielseitig, weil Theater hier sehr erweitert und politisch verstanden wird. Diese Einstellung prägt das gesamte Profil des Hauses. Theater geschieht nicht als hermetisch abgeschirmte Kunst, sondern verbindet sich mit der sozialen Realität der Stadt und unserer gesellschaftlichen Gegenwart.«

Die Arbeit von Ruth Feindel kann man grob in zwei Bereiche gliedern. Zum einen die Spielzeitplanung. Sie geschieht zusammen mit den Kollegen und Kolleginnen aus der Dramaturgie und mit der Intendantin des Theaters. Sie treffen sich regelmäßig, um künstlerisch zu planen. Das heißt, sie entscheiden darüber, welche Stücke aufgeführt werden sollen: Ob es ein bestimmtes Thema gibt, das sie interessiert oder spezielle Autoren, deren Stücke gespielt werden sollen, wer die Regie übernehmen wird und wer im Ensemble neu dazu kommen soll. Diese Art von Arbeit steht immer an und braucht mindestens ein Jahr Vorlauf.
Zum anderen arbeitet Ruth Feindel konkret an Produktionen mit, übernimmt die Verantwortung und gestaltet sie dramaturgisch. Das heißt, die Dramaturgin bereitet die Arbeit mit dem Regisseur bzw. der Regisseurin vor und begleitet den Probenprozess. In diesen Kontext gehören auch Aufgaben wie Programmheftgestaltung, Einführungsveranstaltungen, Publikumsgespräche, Interviews, Förderanträge schreiben.

Dramaturgie meint konkret die »Bauweise« bzw. den inhaltlichen Verlauf eines Stücks oder einer Inszenierung. Der Dramaturg bzw. die Dramaturgin ist also ein Konzeptionskünstler und sitzt zwischen vielen Kommunikationsschnittstellen, die so ein komplexes System wie das Deutsche Stadttheater mit sich bringt. Die dramaturgische Arbeit ist durch die Lust an Auseinandersetzungen mit Texten und ihren verschiedenen Darstellungsmöglichkeiten geprägt. Da der Dramaturg bzw. die Dramaturgin durch seine bzw. ihre Lektoratsarbeit nicht unwesentlich zum künstlerischen Profil des Hauses beiträgt, ist es wichtig, dass er bzw. sie über ein umfangreiches Wissen an Primär- und Sekundärliteratur verfügt. Nur so ist der Dramaturg bzw. die Dramaturgin in der Lage, die Werke anderer gerecht zu bewerten. Der Unterschied zum Beruf des Autors liegt darin, dass man als Dramaturg bzw. Dramaturgin einer sehr hohen zeitlichen Arbeitsbelastung ausgesetzt ist; der Bereich zwischen »Arbeit« und »Privatzeit« ist sehr verschwommen. Das wollen die Wenigsten ununterbrochen ein ganzes Arbeitsleben lang auf sich nehmen, deshalb gibt es viele Dramaturgen die sich irgendwann ganz aufs Schreiben verlegen. »Mittlerweile ist kein Dramaturg mehr auf Lebenszeit Dramaturg«, sagt Ruth Feindel.

Sie hat sich für das Stück »8 Väter« entschieden, da es das Thema »Wunschkinder« fortführt. In »8 Väter« geht es um die Vielgestaltigkeit die das soziale Gefüge »Familie« heute annehmen kann – bereits ganz ohne »künstlichen« Zeugungsvorgang. Und darum, was das dann für das Kind, in diesem Fall Nico, bedeutet.
Wie viel ein Dramaturg bzw. eine Dramaturgin an einem bereits geschriebenen Stück verändern darf, kann man pauschal nicht sagen. Dies kommt ganz auf den Autor des Textes an. Es besteht die Möglichkeit, dass der Dramaturg bzw. die Dramaturgin den Autor eng begleitet und z.B. konkret Veränderungen vorschlägt, bis zu einem Text der nur minimal verändert werden darf. Beim Stück »8 Väter« wurde nur wenig verändert, weil das Stück der Inszenierung viel Gestaltungsraum ließ. Von Seiten der Autorin war ausdrücklich gewünscht, dass der Text nicht als heilig und hermetisch betrachtet werde, sondern die Schauspieler auch Text hinzuerfinden können. Die eine oder andere Ergänzung durch Improvisationen bei den Proben ist auch in dem Theaterabend zu finden. Aber die Änderungen sind marginal und greifen nicht in den Charakter des Stücktextes ein – sie verstärken ihn eher. Ein paar minimale Kürzungen gibt es aber dennoch.

Ruth Feindel ist nach der Premiere mit der Umsetzung des Stücks sehr zufrieden: »Die Atmosphäre im gesamten Team war zugewandt, humorvoll, produktiv. Die Schauspieler hatten Freude daran, mit dem Regisseur zu arbeiten und umgekehrt. Auch dem Stück konnten alle etwas abgewinnen und einen Bezug zu eigenen biografischen Erfahrungen herstellen.«

Der Weg zum Dramaturgen bzw. zur Dramaturgin kann sich sehr unterschiedlich gestalten. Man muss studieren, doch es gibt kein festgeschriebenes Studium. Wichtig ist nur, dass man bereits während der Studienzeit viel praktische Erfahrung in verschiedenen Theatern und Theaterkontexten sammelt und auf diese Weise Kontakte knüpft. Ruth Feindel hat »Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis« an der Universität Hildesheim studiert: »Das Studium war eine tolle Zeit für mich. Selbstbestimmt, experimentierfreudig, intensiv, mit wichtigen Begegnungen die für alles weitere was kommt prägend sind. Das erste Mal im Leben hatte ich – nach 13 Schuljahren – den Eindruck: Ich darf endlich lernen, selbstbestimmt zu denken! Und mir selbst aussuchen, was ich lernen, erfahren, wissen möchte.«

»8 Väter«
Sprengstoff für Bilderbuchfamilien
Stück für Erwachsene & Jugendliche von Tina Müller
Letzte Vorstellungen: Di. 15.5., 18 Uhr & So. 20.5.12, 19 Uhr, Werkraum
Weitere Infos und Tickets gibt es hier im Online-Spielplan.

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