CHOREOGRAFIE DER UNRUHE

von | 02.04.2016

Die School of Life and Dance (SoLD) in Zürich

Ich musste auflachen: Von außen könnte man wohl kaum einen Zusammenhang zwischen den 20 Menschen, die gut gelaunt in Zürich aus dem Bus stiegen, erkennen. Es war eine bunt gemischte Gruppe aus verschiedensten Altersstufen, die jetzt Schlafsäcke und Isomatten schulterte und den Weg zur nächtlichen Unterkunft, der Zwingli-Kapelle, antrat. Dort angekommen wurden wir von Martin Wigger in der geschichtsträchtigen Zwingli-Kapelle begrüßt, und freuten uns darüber, statt einem dämmrigen kühlen Raum eine gut renovierte und warme »Kulturhaus Helferei« vorzufinden. Die Atmosphäre des Hauses zog uns sogleich in ihren Bann.

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Der erste spätabendliche Tanz-Improvisationsworkshop fand dann in der Kapelle statt, wir begannen mit Übungen zur Sensibilisierung als Gruppe. Gleichzeitiges Gehen, Stehen, Bewegen. Bald kamen mehr Begriffe dazu: sitzen, liegen, rennen, schieben und ziehen. Geborgenheit oder Ausgeliefertsein, Distanz und Berührung … So entstand ein spannendes Spiel innerhalb der Gruppe, zwischen den Säulen, auf der Treppe, unter den Bänken, mit dem Boden.

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Gegen Mitternacht wurde die Improvisation beendet und in kleineren Gruppen verteilten wir uns über das Haus oder erkundeten die Stadt. Nach einer recht angenehmen Nacht fanden wir uns dann wieder zum Frühstück zusammen, wurden mit Kaffee und Croissants »verköstlicht« (Wortneuschöpfung Graham Smith) und zogen schließlich los, um den Weg von der Zwingli-Kapelle zum Theater Neumarkt zu erkunden, den die »Choreografie der Unruhe« später nehmen würde. Die Sonne versprach ihre Unterstützung bei der anstehenden Performance, die im Rahmen des Festivals »How artists approach war« (Theater Neumarkt) stattfinden würde. Dabei sollte unsere »Choreographie der Unruhe« nicht kriegerische Zustände darstellen, sondern mit Mitteln von Gruppenbewegungen Bilder und Dynamiken entstehen lassen, die sowohl den Teilnehmern als auch den Betrachtern verschiedene Möglichkeiten zur Interpretation bieten konnten.

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Nach einem weiteren Workshop in der Kapelle, der dem körperlichen Aufwärmen und der Schärfung des Bewusstseins für Gruppe und Raum diente, war es endlich so weit. Musikalisch begleitet von Peer Kaliss‘ Percussion nahm die »Choreografie der Unruhe« ihren Anfang in der Kapelle, um dann auf die Plätze auszuschwärmen, enge Gassen zu durchqueren und an / in Brunnen und Cafés Halt zu machen. Treppen hinunter steigen oder besetzen, wartend an Wänden lehnen, vor Wänden Halt machen, Ketten bauen, Ketten zerreißen. Mauern verschieben, an Menschen zerren, sie schieben, zu Boden bringen, die Hand reichen. Auf Brunnen thronen, durch den Staub rollen, auf und unter Bänken, im Schoß eines anderen oder auf einem Haufen aus anderen Menschen liegen. Weiter hasten, verfolgen, überholen, nicht vorankommen, langsam sein. Wir steckten alle mitten drin und waren uns gleichzeitig der beobachtenden Passanten bewusst, die Zuschauerreihen bildeten, Kameras zückten oder sich selbst mit ins Treiben stürzten – es war ein »Kraftstrom von kollektiver Energie« (Krishna Kloers, Teilnehmerin).

Völlig ausgepowert erreichten wir das Theater Neumarkt, wurden dort von Peter Kastenmüller mit freundlichen Worten und Getränken empfangen, bis wir uns schließlich wieder auf den Rückweg zur Zwingli-Kapelle machten, wo trockene Kleider und noch ein wenig Zeit in der Sonne bis zur Abfahrt des Busses auf uns warteten. Müde aber erfüllt rollten wir schließlich nach gut 24 Stunden wieder in Freiburg ein.