„My body is a cage“ singt Lou Friedmann in dem modern inszenierten Theaterstück WAS IHR WOLLT von William Shakespeare. Das unter Regie von Lydia Bunk am Theater Freiburg aufgeführte Stück hatte seine Premiere am 11. Februar 2023 und sorgte vor allem aufgrund des sehr aktuellen Themas der Nichtbinarität für Aufmerksamkeit. Diese Neuinterpretation dürfte bei vielen Zuschauer*innen für Neugier, aber auch für viele Fragezeichen gesorgt haben.
Wir vom Literatur- und Theaterkurs des Wentzinger-Gymnasiums durften dieses Stück als Patenklasse schon während der Vorbereitung begleiten und wollen mithilfe dieses Beitrags für weitere Aufklärung sorgen.
Also, was bedeutet Nichtbinarität eigentlich und warum sieht die Hauptperson Viola-Cesario den eigenen Körper als Käfig an?
Grundsätzlich bezeichnen sich Menschen als nicht-binär, die nicht oder nicht vollständig weiblich oder männlich sind. Die Anzahl derer, die sich in Deutschland als nicht-binär identifizieren, liegt nach Hochrechnung basierend auf einer Umfrage des RKI bei ca. 110.000. Hierbei kann nicht-binär je nach Person zum einen als etwas zwischen männlich und weiblich verstanden werden, zum anderen aber auch als eine ganz eigene „Kategorie” und beschreibt daher ein breites Spektrum.
„Wir leben in einer Gesellschaft, die alle Menschen als heterosexuell und binärgeschlechtlich einstuft, bevor ihnen überhaupt die Chance gegeben wird, herauszufinden, wer sie wirklich sind.“
So beschreibt Alok Vaid-Menon im Buch „Mehr als binär“ die Realität von nicht-binären Menschen, die sich in den Normen und Erwartungen unserer Gesellschaft gefangen fühlen. Sie können sich nicht so zeigen, wie sie eigentlich sind, da sie aufgrund ihrer Identität oft Diskriminierung und Gewalt fürchten müssen.
Die Gedanken- und Gefühlswelt von Viola-Cesario wird den Zuschauer*innen mit einem Monolog vermittelt, den Lou Friedmann selbst für das Stück geschrieben hat. Das, was man sein Leben lang in sich weggesperrt hat, endlich anzunehmen, empfindet die Hauptperson als ein befreiendes Gefühl.
„Ich fühle, dass es die Grenzen, die mir gesetzt wurden und die ich mir selbst setzte, dass es die gar nicht gibt.“
Zusätzlich stellen Kostüme und Maske die Entwicklung und Akzeptanz der eigenen Geschlechtsidentität dar. Während Viola-Cesario am Anfang noch einen viel zu großen Anzug trägt, scheint die Figur im Laufe des Stücks in ihre Kleidung „hineinzuwachsen“ und ihre neue Identität anzunehmen, da der Anzug später passt. Außerdem lässt der Klamottentausch zwischen Viola-Cesario, Orsino und Olivia am Ende dem Publikum großen Interpretationsspielraum, kann aber als erneutes Überschreiten der Geschlechtergrenzen und ebenfalls als Ausdruck einer neuen Identität gedeutet werden.
Auch bei den Teilen des Publikums, denen diese Thematik im Theaterstück zum ersten Mal begegnet ist und denen sie erst einmal fremd erschienen sein mag, dürfte Viola-Cesarios Selbstfindungsprozess einen Eindruck hinterlassen haben.
Eine kulturelle Einrichtung wie das Theater, das viele unterschiedliche Gesellschaftsgruppen erreicht, bietet hoffentlich eine gute Grundlage, um Verständnis statt Ablehnung für die Nichtbinarität zu schaffen.
Text: Literatur- und Theaterkurs des Wentzinger-Gymnasiums // Foto: Britt Schilling