LEERSTELLEN SCHLIESSEN

von | 20.12.2014

»Käpt'n Analog und die Digital Natives« – ab 18.1.15 im Werkraum des Theater Freiburg (Foto: M. Kaiser)»Leerstellen schließen« – oder: Was unter Deck im Maschinenraum von Käpt’n Analog passiert.

Im Jungen Theater machen wir Theater für Kinder und Jugendliche. Vor allen Dingen machen wir aber Theater mit Kindern und Jugendlichen – und das tun wir aus gutem Grund: Die Gesellschaft, in der diese jungen Menschen aufwachsen, entwickelt sich rasant, wird zunehmend komplexer und kulturell vielfältiger. Wir fragen uns, welche Rolle die altehrwürdige Institution Stadttheater im Leben dieser Generation spielen kann, die ganz anders aufwächst als wir, die das Theater leiten. Junge Akteure zu unseren partizipativen Projekten einzuladen, ist für uns extrem wichtig, da wir im Prozess etwas über ihre Welt erfahren und dabei von ihnen lernen können.

Wenn ein Theater eine Sache richtig gut kann, ist es das Senden. Schließlich war das lange unser Kerngeschäft: Wir zeigen mithilfe unserer Ensemble Stücke auf einer Bühne. In den Laien-Projekten versuchen wir nun, dieses System aufzubrechen, die Erarbeitung in einem dialogischen Prozess stattfinden zu lassen und damit unser Repertoire um den Modus des Empfangens zu erweitern.

Deshalb beginnen wir die Probenarbeit bei Produktionen des Theaterlabors in der Regel nicht mit fertigen Stücktexten. Bei einer Vielzahl dieser Projekte starten wir mit der Gruppe quasi bei Null: Wir wissen, an welchem Thema oder welchen Fragen wir uns abarbeiten wollen, stellen jedoch das gemeinsame Forschen und Ausprobieren in den Mittelpunkt. Oft folgt eine Reise ins Ungewisse, in deren Verlauf wir Texte lesen, diskutieren, improvisieren, Ausflüge machen, Filme sehen, Experten befragen, Pizza essen, weiter improvisieren, erste Ideen verwerfen, neue kreieren – und die einzelnen Bausteine in der Schlusskurve zu einem Stück verdichten.

Derzeit arbeiten wir an »Käpt’n Analog und die Digital Natives«, einem Mehrgenerationen-Laienprojekt, das am 18. Januar Premiere im Werkraum hat. Begonnen haben wir mit einem Aufruf: Theater Freiburg sucht Jugendliche, Erwachsene und Senioren, die Lust haben, gemeinsam mit uns zu erforschen, auf welche Weise uns die zunehmende Digitalisierung verändert.
Nachdem das Ensemble – 12 Spielerinnen und Spieler zwischen 11 und 70 Jahren – feststand, haben mein Mitstreiter Benedikt Grubel und ich alle Teilnehmenden zu ausführlichen Interviews getroffen und dabei einige großartige Geschichten zu hören bekommen.
Zuvor hatten wir für die Welt des »Käpt’n« ein grobes Szenario und ein Handlungsraster mit bewusst gesetzten Leerstellen entworfen. Gemeinsam mit unserer Ausstatterin Nina Hofmann haben wir parallel erste Ideen gesammelt, wie sich diese fiktive Welt auf der Bühne materialisieren lassen könnte.

»Käpt'n Analog« – alles konsequent nicht-digital (Analogfotografie: M. Kaiser)

Während ich diesen Text tippe, liegen auf dem Boden um mich herum verteilt über 100 transkribierte Seiten, die wir aus 24 Stunden Interview-Aufnahmen destilliert haben. Denn bei diesem Projekt verfolgen wir eine Variation der zuvor beschriebenen Arbeitsweise: Die Geschichte des Käpt’n wird von mir als Ghostwriter mit den Ideen und Meinungen der Beteiligten überschrieben und die Leerstellen im Text mit ihren biographischen Beiträgen geschlossen. Und das ist eine richtig spannende Arbeit, da wir die Spielerinnen und Spieler in den Gesprächen bereits intensiv kennengelernt haben und ihnen jetzt Rollen wie Szenen quasi auf den Leib schreiben können.

Weitere Infos zum Projekt: www.theater.freiburg.de/analog

(Michael Kaiser / Crew »Käpt’n Analog«)