Als wir uns vor fünf Jahren auf die Suche nach einer Bildwelt für das Junge Theater machten, fiel mir ein ungewöhnlicher Fotograf ein, den ich während der Proben zu unserem Roma-Projekt »Carmen now!« kennengelernt hatte. Sein Name war Oliver Rath, und ich fand die Spannbreite zwischen den fragilen Porträts, die bei unserer »Carmen«-Fotosession entstanden waren, und den trashig-verzerrten Bildern, die er auf seinem Blog postete, ziemlich spannend. Also luden wir ihn zusammen mit einem bunten Haufen Theaterlaboranten aus unseren Projekten in den Werkraum ein, karrten Unmengen von Requisiten und Kostümen an – und improvisierten stundenlang drauf los. Die Bilder verwendeten wir für unser Spielzeitheft und auf dem damals neu eingerichteten Blog.
Ein Jahr später saßen meine Mitarbeiterin Anita Wunderle, unser damaliger FSJ’ler Bene Grubel und ich kurz nach Weihnachten bei einem langen – einem sehr langen – Abendessen zusammen und kreierten bei diversen Flaschen Rotwein die Ideen für die zweite Bildstrecke: Dieses Mal überließen wir nichts dem Zufall und planten sehr detailliert Inszenierungen im Stadtraum. Diese arrangierte Oli im März 2010 vor seiner Linse zu surrealen Szenen, die sich irgendwo zwischen Tim Burton und Currywurstbude verorteten ließen.
Vor dem »Cräsh« schossen wir mit Luna eines meiner Lieblingsbilder, »Cinderella am Ende der Welt«. Interessanterweise war dies eines der wenigen Motive in all den Jahren, bei dem Oli und ich komplett unterschiedlicher Meinung über Szenerie und Bildsprache waren. Bis wir uns geeinigt hatten, hatten wir unzählige Varianten ausprobiert, die Sonne war untergegangen – und Luna hatte unterdessen blaue Lippen wegen der Abendkälte. Und dann Oli so: »Da war schon viel Gutes dabei. Aber eine Runde machen wir noch …«
Dies ist das Motiv, für das wir uns letzten Endes entschieden haben:
Hier sieht man einen von diversen alternativen Versuchen, die es nicht ins Heft geschafft haben:
Beim nächsten Shooting 2011 wollten Anita und ich unbedingt mit einem Pyro-Effekt arbeiten. Auf dem Bild »Feuermädchen« sieht man Marie aus dem Theaterklub. Nicht abgelichtet ist Raphael Weber, der Rüstmeister des Theaters, der das Shooting auf der Probebühne überwachte. Wir mussten den Feuerstoß unzählige Male wiederholen, bis die perfekt Isothermalsphäre eingefangen war. Die Temperatur im Raum stieg derweil in Sauna-Kategorien. Ich glaube, Marie musste mehr als vierzig Mal pusten, bevor Herr Rath mit dem Ergebnis zufrieden war.
Oli ist Perfektionist. Erst, wenn der wirklich vollkommene Moment eingefangen ist, geht das Shooting mit dem nächsten Motiv weiter. Im Durchschnitt haben wir in den letzten Jahren zehn bis fünfzehn Szenarien pro Session fotografiert. Für ein Motiv planen wir in der Regel zwischen eineinhalb und drei Stunden ein.
2012 veranstalteten wir erstmals ein reines Indoor-Shooting. Hierzu haben wir die Szenografin Nina Hofmann ins Team geholt und den Werkraum für zwei Tage in eine White-Box verwandelt. An die frisch geweißelte Wand schrieben wir den berühmten Satz »Du musst dein Ändern leben«. Wie immer galt auch hier: Keine Photoshop-Tricks im Bildkosmos des Jungen Theaters! Nach dem Shooting wurde also erst einmal alles wieder schön weiß gestrichen, so richtig analog eben. Als das Spielzeitheft dann veröffentlicht wurde, sprachen mich einige Leute darauf an, dass wir uns auf dem Cover vertan hätten. Es müsste doch, so die Leute, »Leben ändern« heißen …
Am vergangenen Wochenende stand nun das Shooting für die Spielzeit 2013/14 an. Wie immer war es ein großes Bohei und eine ebensolche Freude: 15 Stunden komplett outdoor, zehn Motive, mehr als 1.500 Bilder auf diversen SD-Cards. Das neue Spielzeitheft des Jungen Theaters wird am 16. Mai 2013 erscheinen.
Die folgende Galerie mit Fotos unserer Assistentin Maria Herber erzählt das Making-Of der neuen Bildstrecke …