DAS WAR LATENIGHT-SHOW NO. 3

von | 31.12.2014

Tobias Gralke und Sophie Passmann (Foto: M. Korbel)

Die dritte Ausgabe unserer »Latenight«-Show liegt hinter uns. Im Dezember konnte es nur ein Thema geben: Zwei Wochen vor Weihnachten stimmten auch wir in den alljährlichen Feiertagsjubel ein und schmückten den Werkraum nach allen Regeln des guten und schlechten Geschmacks.
Immanente Kritik par excellence also. Zwischen Lamettabehang, Dosenschnee und Glühweindampf besprachen wir mit unseren Gästen Rausch und Routine des großen Spektakels, und die Frage, was dieses schwer zu meidende Fest abseits von Religions- und Konsumkitsch (missgünstig betrachtet) bzw. besinnlichem Jahresabschluss (positiv gesehen) bedeuten kann. In Kombination mit vier gern gehörten Überraschungsgästen ging ein rundum festlicher Abend über die Bühne unseres Wohnzimmers.

Am Anfang sind die Anekdoten: Sophie, die ohnehin eine geradezu leidenschaftliche (und dabei auch religiöse) Beziehung zum Weihnachtsfest pflegt, erzählt von heiligabendlichen Gin Tonic-Gelagen und ritualisiertem Chaos. Tobias stellt sich in den Dienst der Dramaturgie und versucht, über die Geschichte vom enttäuscht weinenden Kind unter dem Weihnachtsbaum so etwas wie Kritik aus der eigenen Erfahrung beizusteuern. Doch eigentlich hat auch er das Fest immer als ein paar selige Tage im Kreis der Familie genossen, eben ganz ohne religiöse Wallungen dabei. So weit, so vertraut für unser Publikum. Die gegenseitigen Geschenke werden unter den reizenden und prachtvoll behängten Miniaturbaum drapiert, der erste Gast schreitet zu Tommy Dorseys Gassenhauer »Santa Claus is coming to Town« die Showtreppe herab:

Philipp Fuchs hat die letzten 15 Jahre als katholischer Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt gearbeitet und damit jährlich auch das Weihnachtfest abgehalten. In einem Gefängnis für Langinhaftierte und Sicherungsverwahrte Heiligabend zu feiern – wie sieht das aus, Herr Fuchs? Und was steckt dahinter?
Ruhig und bestimmt legt der heutige Präventionsbeauftragte seine religiöse Überzeugung dar, keinen Sünder allein zu lassen. Nur auf den ersten Blick widersprüchlich ist dabei das offenbare Bedürfnis der Insassen nach Sentimentalität und warmen Worten: Vom gemeinsamen Einschluss bei Schokofondue in der Zelle über das aufgesparte Zeitkontingent zum Empfang von Freunden und Familie bis hin zur gemeinsamen (das heißt auch ökumenischen) Feier mit Verlesung der Weihnachtsgeschichte ist alles vorstellbar und einleuchtend. Verständlich aber auch, dass sich manch ein Inhaftierter ob des übermäßigen »Heimat-Effekts« dem Fest entzieht. Profanität und existentielle Dimension des Weihnachtsfestes sind hier nicht zu trennen. Und dennoch sind die Vorstellung und unsere Verwunderung darüber gleichermaßen irritierend. Warmer Applaus für unseren ersten Gast, der uns einen Blick auf abseitige und dabei wesentliche Aspekte des Weihnachtsfestes schenkt.

Und seien wir ehrlich: Wir setzen uns nicht auseinander mit den Weihnachtsklischees, wir frönen ihnen: Mit jedem »selbstgebackenen« Plätzchen, mit jedem Eierpunsch fallen die Hemmungen, und als eine wagemutige Zuschauerin für uns zwei Weihnachtslieder auf der Blockflöte spielt, brechen alle Dämme, der Saal singt geschlossen mit. Der abnehmenden Kritikfähigkeit vermag auch unser zweiter Gast keinen Dämpfer zu verpassen: Bodymodification Artist Ralf Fees, den wir als bekennenden Weihnachtsverweigerer geladen haben, gesteht uns gerne, an Heiligabend ein besonderes Menü aufzutischen. Immerhin: In Absprache mit den Kindern gibt es keine Geschenke im Hause Fees. Im sich so gerne alternativ gebenden Freiburg ist ihm dafür der Applaus sicher. Genauso wie lüsterne Blicke für den geschmückten Körper und ein offenes Ohr für Ralfs Geschichten dazu.

Und als sich vier Stadtmusikanten auf ihrem Weg nach Bremen in die Sendung verirren, ist die Stimmung längst gastlich genug, um Esel, Katze, Hund und Hahn zwischen Weihnachtsbaum, Jukebox und Autoscooter herumtollen zu lassen. Mit Boombox und selbstgedruckten Flyern spielt die Band der Stunde einen Gratis-Gig und darf dafür gerne die Vorräte leeren und die Einrichtung demolieren.

Weihnachten mit vier besonderen Tieren (Foto: M. Korbel)

Dann gibt es Bescherung, und die vier Musikanten entsenden uns mit einer umjubelten Zugabe nach draußen. Zwei Wochen sind es da noch bis Weihnachten, aber die Freude auf ein paar Tage Ruhe ist damit spürbar geweckt bei allen. Der glühweindurchwehte Kopf denkt noch etwas wie: Vielleicht ist das ja das Wesen von Weihnachten. Und wem das zu sehr nach Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin klingt, dem sei an dieser Stelle recht gegeben. Einfache Wahrheiten kann sie nun mal. Doch streichen wir diesen unerfreulichen Querverweis und jubilieren gemeinsam. Die Welt mit ihren Krisen und Kriegen kommt früh genug zurück. Nun kommet, ihr Kinderlein, und höret das Schlusswort: IA, Miau, Kikeriki, Wauwau! Nein, das andere.

Ah, genau: Frohe Weihnachten (und bis zum 6. Februar zur nächsten Ausgabe der »Latenight«-Show)!

(Sophie Passmann und Tobias Gralke)