5 FRAGEN AN … MICHAEL KAISER

von | 02.01.2024

Michael Kaiser wurde in Freiburg im Breisgau geboren, studierte Sprach- und Literaturwissenschaft / Kulturelle Praxis, war Theaterpädagoge am Staatstheater Darmstadt und ist seit 2006 am Theater Freiburg engagiert. Als Künstlerischer Leiter der Kinder- und Jugendsparte arbeitet er als Autor, Dramaturg, Regisseur und Performer. 2018 tauscht er in einem Experiment für eine Theaterproduktion den Job mit einem Lehrer, 2020 veröffentlicht er mit zwei Mit-Autorinnen ein Sachbuch über den Berufsalltag und das Leben von Pflegekräften, 2023 initiiert er gemeinsam mit Juliane Kiss aus der Tanzsparte das inklusive „Critical Friends“-Projekt am Theater Freiburg und 2024 erscheint ONKO-LAND, eine interaktive Buddy-Box für kranke Kinder und Jugendliche, mit einem von ihm verfassten Hör-Abenteuer.

Szenenbild aus dem „Queraussteiger“-Stück DAS LEBEN DES ANDEREN (2019, Foto: Marc Doradzillo)

Am Theater gelandet bin ich …
durch eine Verkettung von Zufällen. Eigentlich war mein Plan, nur drei Monate in diesem Kosmos zu bleiben – und, schwupps, ist daraus quasi mein halbes Leben geworden.

Michael als Schausteller Rudolf Blume in RAUSCH + RUMMEL (2014, Foto: Tobias Drapp)

Michael mit Benedikt Grubel beim 24-Stunden-Event INTENSIVSTATION (2015)

Szenenbild aus DIE KRONE AN MEINER WAND (2017, Foto: Britt Schilling)

Hinter den Kulissen unterwegs während der GEISTERJAGD DURCHS THEATER (2015, Foto: Rainer Muranyi)

Mein eindrucksvollstes Erlebnis an einem Theater …
kann ich nur ganz schwer benennen, denn in meinen Jahren am Theater Freiburg sind so unheimlich viele außergewöhnliche, irre und wundervolle Dinge passiert: 2014 haben wir einen Rummelplatz mit Karussell und Artist*innen in die Theaterhalle auf dem Ganter-Areal gebaut und darin RAUSCH + RUMMEL, einen Spoken-Word-Event mit Sophie Passmann und Tobias Gralke, veranstaltet. In meiner Rolle als Vokuhila-Schausteller Rudolf Blume haben mich damals verblüffenderweise selbst engste Kolleg*innen nicht wiedererkannt. Ab 2015 haben mein Team und ich uns einmal im Jahr für die total durchgeknallte INTENSIVSTATION mit zwanzig Fremden in den Werkraum eingeschlossen, um ebendort nach vierundzwanzig Stunden ein Stück zur Premiere zu bringen. In den Probenprozessen zu den Mehrgenerationenstücken DIE KRONE AN MEINER WAND und GRENZLAND haben mich Mitwirkenden, die an Krebs erkrankt waren, mit ihrer Stärke und ihrem Willen zum Leben unfassbar beeindruckt. Ziemlich süß war, dass mich Kinder im Anschluss, wenn ich in meiner Rolle als Herr Koenig mit dem Spukforscher Theo van Thom auf GEISTERJAGD DURCHS THEATER unterwegs war, nahezu jedesmal gefragt haben, ob der Besen im Gang im dritten Stock nur zufällig umgefallen sei oder ob wir das inszeniert hätten (Antwort: wirklich alles war inszeniert). Und zuletzt haben dann Gesa Bering, Stephan Dorn, Benedikt Grubel und ich eine besondere Theater-Challenge angenommen: Zu viert bespielen wir im Stück OZ zwei Bühnen in zwei Räumen gleichzeitig und erzählen so Kindern und Erwachsenen komplett unterschiedliche Versionen von Dorothy wundersamer Geschichte – fliegende Wechsel inbegriffen!

Gesa Bering und Stephan Dorn in OZ (2024, Foto: Marc Doradzillo)

Im Theater Freiburg ist mein Lieblingsort …
die leere Bühne im Großen Haus – kurz vor Hausschluss, wenn die Vorstellung längst gelaufen ist und alle nach Hause gegangen sind. Eine ganz besondere Atmosphäre, die es nirgends sonst auf der Welt gibt. 

In meinem Job am wichtigsten ist mir, dass …
wir uns immer wieder aufs Neue herausfordern. Nichts ist für mich langweiliger als Stillstand.

Pflegerin Hannah Ganter und Michael in der inszenierten Lesung aus dem Sachbuch AUF KLINGEL (2021, Foto: Britt Schilling)

Wenn ich gerade nicht im Theater bin …
beschäftige ich mich gerne mit anderen Arten von Spielen: Escape- und Krimi-Spiele, alte Gameboy-Klassiker, „Terraforming Mars“, Point-and-Click-Adventures – ich bin wohl schon der typische „Homo ludens“. Generell finde ich es wichtig, den Elfenbeinturm, in dem wir dann am Ende dann doch tätig sind, regelmäßig zu verlassen und zu schauen, wie das Leben außerhalb des „Mutterschiffs Theater“ so funktioniert. Ich habe beispielsweise so viel dazugelernt, als ich für das Experiment im Vorfeld unseres „Queraussteiger“-Stücks DAS LEBEN DES ANDEREN für einige Wochen Lehrer an einer Freiburger Schule war (Scheitern inklusive). Und wahrscheinlich noch prägender war, als ich für das Buch und die szenische Lesung AUF KLINGEL u. a. Praktikant von zwei Pflegenden auf der Kinderkrebsstation in Tübingen war. Zuletzt haben Kathrin Feldhaus und ich ebendort sowie in einer Reha-Klinik für unser Hör-Abenteuer ONKO-LAND Interviews mit schwerkranken Kindern und Jugendlichen geführt. Da kommt man definitiv verändert in das Mutterschiff zurück – und schaut anders auf den eigenen Alltag als Künstler und Autor. 

Habt ihr Fragen an Michael Kaiser? Meldet euch gerne per Mail bei ihm.

Porträtfoto: Britt Schilling