THE VAMPIRE DIARIES

von | 17.02.2020

Die Produktion DRACULA wurde vor Beginn und während der Proben von zwei Teams Kinder- und Jugenddramaturgie begleitet. Eine der beiden Gruppen waren Schülerinnen vom St. Ursula Gymansium Freiburg mit ihrer Lehrerin Karin Schirrmeister, die Benedikt Grubel, Michael Kaiser und Jan Paul Werge zum Gespräch getroffen haben. Hier ihr Bericht und das Interview …

v. l. Benedikt Grubel, Michael Kaiser, Gesa Bering, Jan Paul Werge

Mi, 15. Januar 2020. Wir betreten den Raum und eine benebelnde Atmosphäre übermannt uns. Wir nehmen an einer weißen Tafel Platz. Durch die nichtvorhandene Stuhllehnen sitzen wir alle etwas zusammengekauert, wie sechs Häufchen Elend auf unseren Plätzen, während Michael Kaiser, Benedikt Grubel und Jan Paul Werge sich zwischen uns setzten. 

Wie seid ihr dazu gekommen, gemeinsam auf der Bühne zu stehen?
Die drei tauschen verschwörerische Blicke, schmunzeln und erzählen, dass sie sich alle nach und nach rein zufällig und auf unterschiedlichen Wegen kennengelernt hätten und nun seit Jahren als Team gemeinsam arbeiten.

Wie seid ihr denn hier am Theater Freiburg gelandet?
Benedikt ist bereits seit Schulzeiten Feuer und Flamme fürs Theater. Deshalb hat er, ebenso wie Gesa, Angewandte Theaterwissenschaften in Gießen studiert. Von 2015 bis 2017 war er als Künstlerischer Leiter der Spielstätte Werkraum am Theater Freiburg engagiert. Seit 2017 ist Benedikt freischaffend als Regisseur und Performer tätig.
Michael hat den Weg zum Theater durch ein Praktikum gefunden und arbeitet nun als Künstlerischer Leiter des Jungen Theaters Freiburg als Dramaturg, Regisseur, Autor und Performer.
Jan begeisterte vor allem die geballte Kreativität, die in ihm steckt, ausleben zu können. Er schreibt Musik für zeitgenössischen Tanz, Ballett, Schauspiel, Musiktheater, Konzert und Performances.

Wie ist es, ein Projekt wie DRACULA gemeinsam auf die Beine zu stellen?
Benedikt: „Es ist einfach ein Geschenk, sich in dieser Konstellation gemeinsam Dinge ausdenken zu dürfen. Mich begeistert einfach diese Freiheit im Tun – und das mit Leuten, mit denen man sich gut versteht und die ähnliche Vorstellungen haben, gemeinsam etwas zu erschaffen.“
Michael: „Ja, es ist einfach Luxus, ganz frei entscheiden zu können, welchen Stoff wir machen. Wir zeigen aber jetzt nicht den Original Bram Stoker, sondern unsere eigene Bearbeitung.“

Es ist schon fast ein bisschen unheimlich, wie die drei sich in ihren Aussagen ergänzen. Ob sie wohl eine stumme Geheimsprache haben, oder gar Gedanken lesen können? Vielleicht hat es mit ihren Augen zu tun, die immer wieder in der Dunkelheit aufblitzen, obwohl die einzige Lichtquelle im Raum, dieser alte Kerzenständer ist, der hier wohl schon seit ewigen Zeiten auf diesem Tisch steht und doch immer noch leicht silbern glänzt.

v. l. Gesa Bering, Michael Kaiser, Benedikt Grubel, Jan Paul Werge

Mit welchem Charakter im Buch konntet ihr euch am ehesten identifizieren?
Es folgt ein kurzes Schweigen. Unsere Spannung auf die Antwort wächst, wir lehnen uns in ungeduldiger Erwartung vor.
Benedikt murmelt leise vor sich hin: „Van Helsing…“
Alle brechen in schallendes Gelächter aus und die Spannung ist kurzzeitig verflogen.
Benedikt fügt hinzu: „Am ehesten Jonathan Harker, weil der so ein unbeschriebenes Blatt ist, ein derart profilloser Rechtsanwalt, genau die richtige Leerstelle, in die man so viel hineinprojizieren kann.“
Michael merkt an: „Manchmal möchte man Jonathan aus dem Roman packen und schütteln.“ 

Welche Figur war für euch am faszinierendsten?
Wie aus der Pistole geschossen antwortet Michael: „Dracula!“
Auf diese Aussage folgt allgemeine Zustimmung seiner beiden Kollegen.
Mit nachdenklicher Stimme merkt Benedikt an: „Es war hauptsächlich diese mystische Aura des Grafen, der ja im Großteil des Romans gar nicht vorkommt.“

Was gefällt dir an deiner Rolle?
Michael: „Ich gebe zu, ich mag meine Figur, den Matze, eigentlich schon ganz gerne. Das hängt auch viel damit zusammen, dass wir alle zusammen die Charaktere, ihre Konflikte und vor allem Backgroundstorys unserer Charaktere entwickelt haben. Zum Beispiel bei Matze, dass er mit Ende 20 noch bei seiner Mutter wohnt, total auf Horrorfilme steht und ständig nur vorm Computer hockt.“
Benedikt gesteht: „Ich finde meine Rolle, Benjamin Grube, manchmal schon echt nervig, weil er ganz oft die Spaßbremse ist. Es ist ab und zu ein ziemlich tougher Job, das zu spielen. Trotzdem freue ich mich da auch drauf!“

Wie habt ihr das Skript und die Rollen erarbeitet?
Michael erzählt: „Gesa, Bene und ich haben nach einer gemeinsamen Recherchewoche in Freiburg über Weihnachten und Neujahr an unterschiedlichen Orten an der Textfassung geschrieben. Dank Internet ist das überhaupt ja kein Problem, gemeinsam an einem Dokument zu arbeiten. Wir haben uns auch vorgestellt, wie es wäre, wirklich so eine Reise nach Transsilvanien zu unternehmen und haben dazu vier unterschiedliche Reisetagebücher verfasst. Zusätzlich haben wir viel über szenische Improvisationen herausgefunden.“

Welche Gefühle möchtet ihr beim Publikum erwecken?
Benedikt: „Unser Ziel ist es schon, manchmal Grusel zu erzeugen und als Performende nicht zu jedem Zeitpunkt vertrauenserweckend zu erscheinen.“
Michael: „Anders als beim Film, wo in diesem Genre meist der Jump-Scare-Effekt mehr als ausgereizt wird, setzen wir ganz klar auf den Live-Moment: Da das Publikum sehr nah an uns dran sitzt, ist es für uns ein leichtes Spiel, Unbehagen und Misstrauen einer unserer Figuren gegenüber zu erzeugen. Diese Augenblicke der Anspannung wollen wir aber immer wieder durch Comic Relief-Momente auflösen, indem zum Beispiel Benedikts Charakter wieder einen auf Spaßbremse macht und dazwischen ruft: ‚Das ist wissenschaftlich aber so und so’. Es würde uns aber schon freuen, wenn es uns gelingt, wohligen Grusel aufkommen zu lassen.“

v. l. Benedikt Grubel, Jan Paul Werge

Jan, wie gehst du da als Musiker vor?
Jan: „Vor dem ersten Probenblock im Dezember war ich in Nordamerika. Dort hab ich mich auf die Suche gemacht, um dem Stück eine musikalische Note zu verleihen. Ich habe Instrumente gefunden, von denen ich dachte, die könnten passen. Diese Doppelflöte zum Beispiel. Auf ihr kann man zwei Töne auf einmal spielen, und der Klang passt ganz gut zu dem, was wir vorhaben.“

Als er das Instrument spielt, entführt er uns in die dunklen Wälder Nordamerikas … oder vielleicht doch Rumäniens?

Und was ist diese Shrutibox?
Jan: „Die Shrutibox erzeugt mit ebenfalls nur zwei Tönen und vielen Obertönen eine ganze Welt. Außerdem sieht sie so aus wie ein kleiner, ein bisschen altmodischer Koffer und wird damit im Stück auch zum Requisit.“
Michael: „Es ist eine Riesenbereicherung, Jan als Musiker dabei zu haben.“
Jan fügt mit einem Lächeln hinzu: „Andersherum genauso, weil man weiß, das geht auf – und da steckt so viel Herzblut drin.“
Benedikt: „Trotzdem ist es manchmal harte Arbeit, wenn Jan uns täglich Unterricht im Musizieren gibt. Unser Prinzip ist, dass alle auf der Bühne alles machen: performen, umbauen, musizieren …“
Jan: „Für mich ist es ist faszinierend und schön, mit Musik Geschichten zu erzählen, Landschaften zu malen oder sogar ganze Welten zu erschaffen.“

Wie seid ihr bei den Kostümen vorgegangen?
Benedikt: „Unsere Kostümbildnerin Sarah Mittenbühler hat ein assoziatives Skizzenbuch mitgebracht, in das wir immer wieder reingeschaut haben, um uns visuelle Denkanstöße zu holen.“
Michael: „Mit Hilfe der Kostüme wollen wir die schrittweise Transformation, die Verwandlung in Vampire, erzählen.“

Auf die Bemerkung hin, dass wir alle Kostüme per Zufall bei einer Theaterführung bereits gesehen haben, erfahren wir, dass die andern jeweils nur ihr eigenes Kostüm bereits im Original kennen, das der anderen aber noch nicht zu Gesicht bekommen haben. Nachdenklich wirft Michael ein, ob es wirklich ein Zufall war, dass wir dem Kostümständer begegnet sind? Wer weiß? Vielleicht hatte da jemand seine Finger mit im Spiel – vielleicht gar der Graf höchstpersönlich?!

Der Patenkurs hat seine Erlebnisse während der Begleitung des Stücks in einem Magazin zusammengefasst, das man hier als PDF herunterladen kann. 

Aufzeichnung des Gesprächs: Elea Krütten, Agnes Weingärtner
Probenfotos: Marc Doradzillo